Die Corona-Pandemie verändert die Welt. Spätestens seit 16. März 2020 und dem Entscheid des Bundesrates zur «ausserordentlichen Lage» verändert sich auch die Schweiz in rasantem Tempo. Wir beobachten vor dem Hintergrund dieser Ausserordentlichkeit neue Muster, die zu einer «neuen Normalität» führen: vermehrtes und «neues» Home Office, radikal vereinfachte Prozesse, kreative Geschäftsmodelle, neue Formen der Kinderbetreuung, neue Aufmerksamkeit für die «Held*innen des Alltags».
In dieser Phase, in der die Welt Kopf und die Zeit scheinbar stillsteht, werden auf einmal Entscheide, Verhaltensweisen und Ideen möglich, die vorher schwer um- und durchsetzbar waren. Dies betrifft organisatorische Fragen und soziale. Die meisten Menschen halten zwar räumlich Abstand, stehen aber doch näher zusammen. Im Home Office, über den Gartenzaun hinweg oder in sozialen Netzwerken hören wir plötzlich genauer hin, bieten Hilfe, Verständnis und Verzicht an. Beziehungen intensivieren sich, es entsteht eine neue Nähe in Form von gegenseitiger Solidarität. Sichtbar werden aber auch ein akzentuierter Egoismus und krasses Anspruchsdenken.
In der Krise werden wir zu einer «schrilleren Version unserer Selbst», wie die zeitonline dies am 14. März 2020 schreibt. Die Krise verstärkt bestehende Muster einerseits, führt aber auch zu vielfältigen (sozialen) Innovationen und «Regelbrüchen». In der Transformationsphase geht es weniger um das Organisieren von Richtigkeiten, als vielmehr um begründbare und «brauchbare Illegalitäten» im Sinne von weniger an Regeln und Weisungen orientierten Lösungen, sondern mehr an pragmatischen, zum Teil lokalen und temporären Lösungen.
Wir möchten in der nächsten Zeit und ausgehend von der aktuellen Pandemie, eben diese Innovationen, Regelbrüche und Alltagsbeobachtungen in Bild, Ton und Text sammeln und in ihrer gesellschaftlichen und psychologischen Auswirkung diskutieren. Unser Ziel ist es, die Ideen zu bewahren und für später nutzbar zu machen. Wir versuchen zu lernen, wie Menschen mit dieser Krise umgehen, wie nachhaltig die Veränderungen sind oder welche Rolle Humor hat. Auf der angegebenen Webseite werden wir unsere Beobachtungen, Diskussionen und Schlussfolgerungen laufend veröffentlichen. Auf unserer Website laden wir zum Mitsammeln, Mitdenken und Mitdiskutieren ein. Wir sprechen Menschen an, die sich aktuell mit Fragen von gesellschaftlichen sowie persönlichen Veränderungen auseinandersetzen und dabei Austausch und Orientierung suchen.
Mittelfristig erhoffen wir uns eine intensivere Debatte über die Frage, welche «neuen Normalitäten» wir als Lerneffekte aus der Pandemiekrise 2020 als Gesellschaft ziehen wollen und wie sich diese in unseren Familien, Freundeskreisen, Arbeitsteams, Organisationen, Nachbarschaften oder Gemeinden konkret zeigen. Damit verbunden sind auch Einladungen, soziale «Experimente» zu starten, also damit zu beginnen, die «normalen» Dinge in eine andere, eine neue Normalität zu überführen.
Das Projekt «neue Normalität» wird lanciert von einer Gruppe Kompliz*innen, bestehend aus «normalen» Menschen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft.