Von der Krise in den Alltag

Von der Krise in den Alltag

Inzwischen leben wir seit bald zwei Monaten in der Krise. Es scheint, dass die Menschen je länger je mehr Mühe haben, die strengen Regeln zu befolgen, der rekordverdächtig schöne April hat es uns nicht einfacher gemacht. Der Durchhaltewille schwindet, da wir merken: Das Ende ist nicht absehrbar, der neue Virus wird uns noch über dieses Jahr hinaus begleiten, die Krise wird zum Alltag werden. Wie verändert das unseren Umgang mit der Situation? Sind wir bereit, unseren Alltag langfristig und einschneidend für das grössere Ganze umzugestalten? Die Plätze, die in Zürich noch zugänglich sind, wirken nicht mehr so verlassen, wie zu Beginn der einschneidenden Massnahmen Mitte März. Das Plakat der Stadt Zürich "Bleiben Sie zu Hause. Bitte. Alle." erschien etwas bemitleidenswert, als ich zum Zeitpunkt des Fotos meinen Blick über das Gemeinschaftszentrum Wipkingen in Zürich schweifen liess. Zuhause bleiben sieht anders aus. Mit der ersten Phase der Lockerung werden die bestehenden Regeln auch etwas lockerer genommen, es bleibt spannend, wie es sich mit der "nächsten Welle" der Lockerungen verhalten wird.

Innere Konflikte

Der innere Konflikt zwischen "Was ist erlaubt", "Was ist vertretbar" und "Was mache ich sicher nicht" findet bei mir aktuell oft statt. 

Ist es in Ordnung einen Freund zu treffen, um zusammen spazieren zu gehen? Mit Arbeitsweg, Arzt, Apotheke oder Einkäufe hat das nichts zu tun. Wie sieht es mit der gemeinsamen Rad Ausfahrt aus, bei der dann doch sechs Freunde aufgetaucht sind, statt den erlaubten fünf? Immerhin kann das Gewissen durch die Begrüssungsform gelindert werden: Wir haben auf den Körperkontakt verzichtet. Die von einem Freund zitierte Studie über Distanzen im Sport, lässt mich kurz leer schlucken. Gemeinsame Ausfahren sind aktuell nicht vertretbar, wenn es mit Personen ausserhalb des eigenen Haushaltes stattfindet, bei hohen Geschwindigkeiten könnten Übertragungen weit höhere Distanzen überwinden als die "sicheren" zwei Meter in normalen Situationen. Neben den inneren Konflikten, finde ich die Konflikte mit der Aussenwelt auch anspruchsvoll. Macht es Sinn andere auf ein Verhalten hinzuweisen, dass aktuell gar nicht geht? Oder werde ich damit zum Opfer der Doppelmoral? Mein eigenes Verhalten würde von Herrn Koch sicherlich auch nicht in den Himmel gelobt. 

Es mutet trotzdem komisch an, wie sich gewisse Leute verhalten, wenn sie ihr bestelltes Essen nach Hause geliefert bekommen, was ich selbst bei meiner Arbeit erlebt habe. Während die Mehrheit der Kunden sich höchst solidarisch und rücksichtsvoll verhält, gibt es auch einige, die das nicht hinkriegen. Vor lauter Ungeduld, vergessen sie die einfachsten Verhaltensregeln und verhalten sich wie ignorante Dummköpfe. Bei einem Kunde wies sogar die Frau des Kunden ihn auf sein Verhalten hin und fragte ihn: "Gelten die Regeln für dich nicht?" Er antwortete mit ernster Stimme "Solche Sachen treffen mich nie!". Ignoranz und kognitive Dissonanz scheint auch eine mögliche Form zu sein für den Umgang mit der aktuellen Situation, ob es in dieser Zeit sinnvoll ist so zu handeln und zu denken, erscheint fragwürdig. Während wir höchstwahrscheinlich relativ gut aus der Krise kommen werden, tragen wir eine auch eine globale Verantwortung den Virus so gut wie möglich einzugrenzen. Entwicklungsländer werden weit grössere Probleme haben, dem Virus in gleicher Weise wie wir Herr zu werden und mit den damit einhergehenden Folgen umzugehen.

Doppelte Gesundheit

Bis zum Ende gar keinen Kontakt zu seinen engeren Freunden zu pflegen, scheint für mich auch keine Lösung. Was bringt die gesicherte physische Gesundheit, wenn die psychische leidet? So versuche ich weiterhin ein Mittelmass zu finden, welche mich und meine Mitmenschen möglichst gesund hält, im doppelten Sinne, um den Übertrag von der Krise in den Alltag zu bewältigen und bleibe gespannt, wie es mit den neuen Lockerungen werden wird.

Noch keine Kommentare vorhanden

Was denkst du?

Neue Normale
2020
Powered by Chimpify