Die schmale Grenze zwischen Wahnsinn und Vernunft

Die Lockerungen sind im vollen Gange. Die Menschen strahlen, umarmen und gehen wieder aus dem Haus. Wie schön es doch war, endlich wieder einmal mit, wenn auch nur wenigen, Freunden draussen an der Sonne eine Stange zu bestellen und den Luxus der Gastronomie zu geniessen. Klar, die Reglementierungen sind streng, doch als Gast konnte ich in diesem Moment die Krise für einen Moment ausblenden. 

Allerdings sieht es auf der anderen Seite der Theke etwas anders aus. 

Ich selbst arbeite in der Gastronomie und konnte meinen Ohren nicht trauen, als unser Schutzkonzept besprochen wurde. Arbeitstrennung an der Front: eine Person hinter der Bar, eine platziert die Gäste, komplett Desinfektion der gesamten Bar - dies erinnerte mich etwas an die öffentlichen Toiletten, welche komplett geduscht werden, nach jeder Benutzung - höchstens vier Personen an einem Tisch, Handschuhe, Masken, das komplette Programm. Ich fühlte mich, als hätte ich kurz mal die Branche zur Pflegeassistentin gewechselt. 

Wo bleibt den noch der Kern meiner Arbeit, wenn ich meine Gäste nicht einmal anlächeln kann? 

Wo bleibt die gemütliche Atmosphäre eines Barbesuchs, wenn jeder wie ein sich eingepisster Junkie behandelt wird? Da jede berührte Oberfläche sofort geputzt wird. Bis wohin steht die Sicherheit im Vordergrund und wird dem Virus den Kampf angesagt und ab wann ist es reiner Wahnsinn

Selbstverständlich nehme auch ich die Corona-Krise ernst und vertraue unserem Bund, dass sie alles machen, um uns Bürger zu schützen. Abstand ist wichtig, Händewaschen ist wichtig und an vorderster Stelle: Den Schutz von Personen in der Risikogruppe. All dies ist mir völlig bewusst und ich kann verstehen, wenn wir bei der Arbeit genau diese Dinge einhalten. Doch, irgendwann übernimmt die Angst und man sieht wirklich überall nur noch die unsichtbare Gefahr. 

Jede Person, die sich entscheidet in eine Bar zu gehen, ist sich bewusst, dass ein Risiko besteht. Gerade deshalb, möchte ich den wenigen Gästen, die ich bedienen darf, einen schönen Abend bereiten und ihnen wenigstens ein bisschen das Gefühl von "Normalität" vermitteln können. 

Entschuldigung, ich meine natürlich die "neue Normalität". Aber wenigstens nicht die "neue Panik". 

Gesundheit ist wichtig. Die psychische Gesundheit wird nur leider immer wieder vergessen. Ein gemütlicher Abend, eine kurze Zeit ohne diese Anspannung, das Gefühl willkommen zu sein und mit Freunden lachen zu können, wirkt hierbei Wunder. 

Noch keine Kommentare vorhanden

Was denkst du?

Neue Normale
2020
Powered by Chimpify